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AutorenbildBoris Seedorf

Ist Tinnitus stressbedingt? Nein, sondern konfliktbedingt!


Immer wieder höre ich in meinem Praxisalltag die Aussage: "Tinnitus ist doch meistens stressbedingt!"

In diesem Artikel möchte ich aufzeigen

  • warum diese Aussage aus meiner Sicht unpräzise ist und sogar in Stück weit in die Irre führt

  • was ein Hörkonflikt eigentlich ist und

  • Ideen geben, wie man mit Hörkonflikten umgehen kann


Wenn nun mittels sorgfältiger Anamnese und Diagnostik andere mögliche Ursachen von Tinnitus ausgeschlossen werden können (z.b. Unfälle, Medikamente...), sollte aus meiner Sicht immer die Frage gestellt werden:" Ist der Tinnitus vielleicht konfliktbedingt entstanden, genauer gesagt durch einen Hörkonflikt?"


Was ist ein Hörkonflikt?


Hierzu Beispiele aus der Praxis:


Herr F. wurde von seinem Vorgesetzten in dessen Büro gerufen. Dort bekam er (also Herr F.) für ihn völlig unerwartet eine mündliche Abmahnung vom Vorgesetzten. Damit hätte er nicht gerechnet, er war völlig baff und geschockt.

Nach dem "Gespräch" stolperte er regelrecht aus dem Büro und zog die Türe hinter sich zu. In diesem Moment setzte rechtsseitig ein Tinnituston ein, der auch in den darauffolgenden Wochen blieb.


Frau J. (chr. Tinnitus seit Jahrzehnten) erinnerte sich während der Tinnitus-Therapie plötzlich an eine Begebenheit: Sie erlebte als kleines Mädchen, wie der Vater in einem Anfall von Jähzorn das Lieblings-Spielzeug auf den Boden warf und zertrat. Das Geräusch, das dabei entstand, ging ihr durch Mark und Bein.

Frau J. stiegen die Tränen in die Augen und sie sagte verblüfft:" Mir war bis soeben nicht klar, dass mir dieses Erlebnis noch in den Ohren sitzt!" Durch eine therapeutische Intervention mittels EMDR (therapeutische Augenbewegungen) unterstützten wir ihr Nervensystem, diesen noch immer nachwirkenden Schock aus der Kindheit weiter zu verarbeiten. In den darauffolgenden Wochen wurde der Ton spürbar leiser.


Mit Hörkonflikten sind also Erlebnisse gemeint, die auf auditiver Ebene (auf das Hören bezogen) emotionale Verletzungen verursacht haben. Meiner Erfahrung nach sind häufig hier die wahren Ursachen von Tinnitus zu finden! Doch nicht jedes "böse Wort" muss als Hörkonflikt wirken. Damit etwas Gehörtes uns auf diese Weise verletzen kann, müssen 3 Bedingungen erfüllt sein:


  1. Das Gehörte erwischt uns auf "dem falschen Fuß", also völlig unerwartet.

  2. Das Gehörte ist für uns dramatisch von seiner Bedeutung her, also verletzend

  3. Wir fühlen(!) uns mit dem Gehörten (Beschimpfung, Vorwurf etc.) alleine.


Sind diese 3 Kriterien erfüllt, sprechen wir von einem Hörkonflikt. Wichtig: Es geht nicht darum, ob das Gehörte "objektiv" schlimm war oder nicht, sondern einzig und allein darum, dass wir es als überwältigend, unerwartet und alleine erlebten.


Wenn man sich Zeit nimmt und forscht, stößt man bei nahezu jedem Menschen, der unter Tinnitus leidet, auf derartige Konflikte. Sie können lange her sein (wie im zweiten oben genannten Beispiel) oder auch recht aktuell sein.


Hilfreiche Fragen zum Aufspüren eines eigenen eventuellen Hörkonfliktes:


Gab es vor Beginn meines Tinnitus etwas (eine Nachricht, ein Satz...), bei dessen Hören ich dachte:

"ich kann nicht glauben, was ich da gerade höre" oder: "ich höre wohl nicht recht"?


Auch können wir uns fragen: "Was für mich sehr Unangenehmes wollte ich nicht hören?"

Immer unter Berücksichtigung der 3 oben genannten Kriterien: überwältigend, unerwartet und im Moment des Hörens gefühlt alleingelassen gewesen.


Grundlagen einer wirklich ganzheitlichen Tinnitustherapie


Sowohl bei chronischem als auch akutem Tinnitus kann es sehr hilfreich sein, mit einer sogenannten 'Lebenslinie' zu arbeiten.

Auf einem ausreichend großen Blatt Papier wird eine Linie aufgezeichnet. Diese Linie dient als Zeitachse von der Gegenwart zurück bis mindestens zu der Zeit VOR dem Tinnitus.

Im nächsten Schritt werden Stück für Stück stichwortartig Ereignisse eingetragen, die als Hörkonflikt gewirkt haben könnten, zum Beispiel:


  • August 2022: Mein Vermieter teilt mir telefonisch mit, dass er mir die Wohnung kündigen wird aufgrund von Eigenbedarf

  • Winter 2018: Nach einem Streit mit meinem Bruder bricht dieser den Kontakt zu mir ab: "Lass' mich in Ruhe, du brauchst dich nie wieder zu melden"

  • ca. 2010: Beim Aufpumpen eines Fussballs explodiert dieser und ich erschrecke mich fürchterlich. Wenn ich heute daran denke, zieht sich immer noch mein Bauch zusammen.

  • usw.


Dann kann man, am besten mit einer dafür ausgebildeten professionellen Begleitung, schauen, ob die jeweiligen Erlebnisse innerlich noch nachwirken (wie beim Beispiel des explodieren Fussballs), also noch emotional 'eine Rolle spielen'. Wenn dem so ist, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, die noch wirksame 'Ladung' im Nervensystem zu adressieren und den Menschen darin zu unterstützen, dass sich diese löst bzw. sinnvoll weiterverarbeitet werden kann.

Dafür arbeite ich gerne mit EMDR (therapeutische Augenbewegungen), aber auch andere Werkzeuge wie Somatic Experiencing oder Klopftechniken können hier gute Dienste leisten.


Das Wertvolle an der oben beschriebenen Vorgehensweise ist, dass auf diese Art sehr zielgerichtet mit den Innenohrsymptomen gearbeitet werden kann.


Warum finde ich nun die eingangs getätigte Aussage: " Tinnitus ist stressbedingt" unpräzise und zum Teil sogar irreführend?


Aus heutiger Sicht würde ich es wie folgt beschreiben: Wenn bereits eine Belastung des Innenohres aufgrund eines oder mehrerer konkreter Hörkonflikte vorliegt, dann kann eine allgemeine Stressphase (z.b. Jobwechsel, Umzug, Überstunden) die vielleicht bis dahin geringen Symptome deutlich verstärken. Aber diese Verstärkung benötigt einen Hörkonflikt als Grundlage! Denn warum sonst sollte sich allgemeiner Stress ausgerechnet auf das Ohr auswirken?


Das erklärt auch, warum der Tinnitus nach Ende der allgemeinen Stressphase häufig vielleicht wieder leiser wird, aber eben nicht weggeht!

Von Tinnitus betroffene Menschen fragen sich dann häufig: "Der Stress ist doch vorbei, warum ist der Ton dann immer noch da?"

Eine Antwort hier wäre: "Weil der darunter liegende Hörkonflikt noch wirkt"


Begleitende Maßnahmen wie das Hörtraining mit dem Naturschallwandler und die Low-Level-Lasertherapie können sehr gut parallel zu der Arbeit mit den Hörkonflikten genutzt werden.


Bei Interesse schreiben Sie mir gerne eine Nachricht oder rufen Sie mich an:

04102-6648201


Herzlich

Ihr Boris Seedorf






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