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AutorenbildBoris Seedorf

Die Ursachen von Tinnitus, Teil 1: Knalltrauma, Lärmtrauma und Krankheitsfolgen

Aktualisiert: vor 2 Tagen

In diesem und folgenden Artikeln möchte ich die unterschiedlichen Ursachen von Tinnitus nennen, beschreiben und mögliche Behandlungssätze darstellen, die meiner eigenen Erfahrung und der langjährigen Arbeit mit Betroffenen entspringen.

 

Teil 1: Knalltrauma, Lärmtrauma und Krankheitsfolgen – sowie mögliche Behandlungsstrategien

 

Tinnitus, das ständige Geräusch im Ohr, das nur der Betroffene wahrnimmt, kann eine enorme Belastung für den Alltag darstellen. Oft beginnt dieser Zustand plötzlich, nach einem Unfall oder einer Verletzung, manchmal entwickelt er sich aber auch schleichend, bedingt durch langjährige Lärmbelastung oder als Folge von Krankheiten. In diesem Artikel gehe ich detailliert auf die Ursachen von Tinnitus durch traumatische Einflüsse auf das Gehör ein und stelle mögliche Behandlungsstrategien vor, die sowohl physische als auch psychische Ansätze umfassen.

 

Das Knalltrauma: Plötzlicher Lärm als Auslöser

Eine der häufigsten akuten Ursachen für Tinnitus ist das sogenannte Knalltrauma. Es kann durch eine plötzliche, extreme Lärmeinwirkung entstehen – etwa durch einen lauten Knall, eine Explosion oder einen Schuss. Herr S., passionierter Jäger, bekam direkt beim Abschuß seines Jagdgewehrs im Hochstand eine Windböe und damit den Schalldruck ins Gesicht. Er trug keinen Gehörschutz. In dem Moment hörte er sofort ein lautes Pfeifen, das auch Tage später nicht verschwand. Die Diagnose: ein dauerhaftes Trauma der Haarzellen im Innenohr. Seitdem begleitet ihn der hohe Pfeifton durch den Alltag – eine Belastung, die seine Lebensqualität drastisch eingeschränkt hat.

 

Das Knalltrauma entsteht, weil die plötzliche Druckwelle des Schalls die Hörzellen im Innenohr stark belastet werden, die für die Schallweiterleitung zuständig sind. Die Folge sind nicht nur Hörverluste, sondern häufig auch ein sofortiger Tinnitus, der in vielen Fällen chronisch wird.

 

Lärmtrauma z.b. bei Berufsmusikern, Industriearbeitern und Lehrern: Die stille Gefahr der Langzeitbelastung

Neben plötzlichen Lärmereignissen können auch langfristige Schallbelastungen das Gehör nachhaltig beeinträchtigen. Besonders betroffen sind Menschen, die in lauten Umgebungen arbeiten – etwa Bauarbeiter, Piloten oder Berufsmusiker. Frau M., eine 42-jährige Pianistin, spielt seit über 20 Jahren in Orchestern und bei Proben, oft ohne Gehörschutz. Anfangs bemerkte sie nach langen Konzerten nur ein leichtes Rauschen, das nach einigen Stunden Ruhe wieder verschwand. Doch mit der Zeit blieb das Geräusch bestehen – ein konstantes Summen, das schließlich zu einem dauerhaften Begleiter wurde.

 

Langfristige Lärmbelastungen, insbesondere über viele Jahre hinweg, belasten die feinen Strukturen im Innenohr. Während das Gehör kurzfristig Lärm ertragen kann, ist es für die Haarzellen bei ständiger Reizung immer schwieriger zu regenerieren. Diese schleichende Belastung führt häufig nicht nur zu einem Tinnitus, sondern auch zu einem zunehmenden Hörverlust.

 

Krankheitsbedingter Tinnitus: Wenn das Innenohr geschädigt wird

Tinnitus kann jedoch nicht nur durch Lärm entstehen, sondern auch durch bestimmte Erkrankungen, die das Hörsystem beeinträchtigen. Ein typisches Beispiel ist Stefan, der nach einer schweren Mittelohrentzündung plötzlich unter einem konstanten Brummen im Ohr litt. Auch Krankheiten wie Meningitis, Borreliose oder Autoimmunerkrankungen können zu Entzündungen oder Durchblutungsstörungen im Innenohr führen und so den Hörsinn nachhaltig beeinträchtigen.

 

Behandlungsansätze


1. Regeneration durch Low-Level-Lasertherapie

Ob durch ein Knalltrauma, eine langfristige Lärmbelastung oder eine Krankheit verursacht – ein Weg, die geschädigten Hörzellen in ihrer Regeneration zu unterstützen, ist die sogenannte Low-Level-Lasertherapie. Diese Therapieform nutzt Laserstrahlen bestimmter Wellenlängen, um die Zellregeneration im Innenohr zu stimulieren. Sie wirkt direkt auf die Haarzellen und hilft dabei, den Heilungsprozess zu beschleunigen oder zumindest das Fortschreiten der Schädigung zu verlangsamen. Studien haben gezeigt, dass diese Therapie bei vielen Betroffenen eine Verbesserung der Tinnitus-Symptome und teilweise auch des Hörvermögens bewirken kann. Nicht nur in den frühen Stadien nach einem akuten Trauma sondern auch bei bereits langem Andauern der Symptome ist die Low-Level-Lasertherapie eine vielversprechende Methode.

 

2. Traumabehandlung: EMDR als effektive Unterstützung

Neben der physischen Schädigung des Hörorgans kann ein Tinnitus auch psychische Ursachen oder Folgen haben. Viele Betroffene berichten, dass das traumatische Erlebnis, das ihren Tinnitus ausgelöst hat – sei es ein plötzlicher Knall oder eine langjährige Lärmbelastung – innerlich noch nachwirkt und noch nicht überwunden ist. Dies kann man z.B. daran bemerken, dass sich ein Unwohlsein einstellt, wenn man an den Vorfall denkt oder sich im innerlich etwas "zusammenzieht". Der Körper bleibt in einem Zustand erhöhter Anspannung, was den Tinnitus oft verstärkt. Diese Anspannung oder „Ladung“, wie sie in der Traumatherapie genannt wird, kann durch gezielte therapeutische Maßnahmen behandelt werden.

 


EMDR - therapeutische Augenbewegungen zur Verarbeitung belastender Situationen
EMDR bei Tinnitus

Ein besonders wirksames Verfahren in diesem Zusammenhang ist EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Diese Methode nutzt heilsame Augenbewegungen, um traumatische Erlebnisse im Nervensystem zu verarbeiten und abzubauen. Indem der Körper die gespeicherte Anspannung loslässt, kann sich auch der Tinnitus in vielen Fällen verbessern. Inzwischen gibt es erste Pilotstudien zu dem Thema.


 

3. Körpertherapeutische Maßnahmen als ergänzende Strategie

Neben EMDR können auch weitere körpertherapeutische Ansätze wie Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Biofeedback helfen, die Anspannung zu lösen und den Tinnitus zu lindern. Diese Ansätze setzen dort an, wo der Körper das Trauma gespeichert hat, und helfen dabei, das Nervensystem zu beruhigen und in einen ausgeglichenen Zustand zurückzuführen. Die Kombination aus psychotherapeutischen Ansätzen und gezielter körperlicher Entspannung hat sich in vielen Fällen als erfolgreich erwiesen.

 

Fazit

Tinnitus, ausgelöst durch Unfälle, Verletzungen oder Krankheiten, kann Betroffene schwer belasten. Doch es gibt verschiedene Behandlungsansätze, die sowohl auf die physische Regeneration des Gehörs als auch auf die psychischen Auswirkungen des Traumas abzielen. Die Low-Level-Lasertherapie bietet eine Möglichkeit, die Regeneration der Haarzellen zu unterstützen, während traumatherapeutische Ansätze wie EMDR helfen können, das Nervensystem zu beruhigen und die psychischen Belastungen, die den Tinnitus verstärken, zu lindern. In vielen Fällen kann die Kombination beider Strategien den Betroffenen helfen, zuversichtlich wieder zu mehr Lebensqualität zurückzufinden.


Im einem der kommenden Blogartikel beleuchte ich weitere Ursachen von Tinnitus und mögliche Behandlungsstrategien.



Studie 1: Low-Level-Lasertherapie und Wirkung bei Tinnitus

Studie 2: EMDR und Tinnitus


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